Ein Mahnmal für den Frieden
• SüdSeitenDas unansehnliche, in die Jahre gekommene Wasserspiel vor der Liborius-Kirche in Bremervörde soll verschwinden. Stattdessen soll an der exponierten Stelle ein Mahnmal für den Frieden errichtet werden. Deshalb entwickeln rund 30 Schüler des Beruflichen Gymnasiums Bremervörde im Rahmen des Projektkurses Geschichte im Jahrgang 12 zurzeit Entwürfe für ein Mahnmal.
Initiiert hat das Projekt Dirk Stelling, der Mitglied im Stadtrat und im Kirchenvorstand ist. Bei der Kranzniederlegung am Volkstrauertag sei ihm bewusst geworden, dass in Bremervörde ein öffentlich sichtbares Mahnmal für den Frieden fehle. “Der Platz vor der Liborius-Kirche ist nicht nur für das Stadtbild Bremervördes bedeutend – es ist auch ein Platz mit Geschichte. Seit dem Abriss des früheren Kriegerdenkmals zieren – mehr oder weniger schöne – Brunnen den Platz. Meiner Meinung nach muss dort jedoch etwas ‘mit Seele’ geschaffen werden, das auf der einen Seite ästhetisch ansprechend ist und auf der anderen Seite auch zum Nachdenken anregt”, sagt Dirk Stelling. Daraufhin nahm Stelling Kontakt zu Michael Freitag-Parey auf, der als Friedenspädagoge in der Gedenkstätte Lager Sandbostel tätig ist. Das Projekt sei laut Freitag-Parey eine Chance für die Jugendlichen, ein Statement auszudrücken und sich aktiv in die Gestaltung des Stadtbildes einzubringen, was für gewöhnlich vorrangig den älteren Generationen vorbehalten sei.
Auch Superintendent Wilhelm Helmers begrüßt das Projekt. Schließlich sei Frieden ein gesamtgesellschaftliches Thema, das einen beständigen Dialog fordere: “Wir wollen die Diskussion wieder in die gesellschaftliche Mitte hineintragen. Was können wir für den Frieden tun? Diesen gesellschaftlichen Diskurs brauchen wir immer wieder.” Die Projektbeteiligten wollen die Aktualität des Friedens akzentuieren, deshalb soll auf dem Kirchenvorplatz ausdrücklich ein Mahnmal und kein Denkmal entstehen. “Wir wollen in die Zukunft blicken und nicht rückwärts gewandt”, erläutert Dirk Stelling.
Die Aktualität des Themas Frieden möchte auch Geschichtslehrer Daniel Graack seinen Schülern im Projektkurs Geschichte im Jahrgang 12 vermitteln. “Wir haben in Deutschland das Privileg, in Frieden zu leben. Dieses Privileg haben viele andere Menschen nicht”, betont Daniel Graack. Auch Fachgymnasiastin Abida Wahidi hat in ihrer Heimat Afghanistan den Krieg miterleben müssen. “Viele Menschen schätzen den Frieden nicht mehr richtig wert. Frieden ist in Deutschland eine Selbstverständlichkeit, aber das gilt eben längst nicht für den Rest der Welt”, sagt die 19-Jährige. Abida Wahidi wünscht sich, dass die Menschen das Mahnmal nicht nur als Mahnung für den Frieden sehen, sondern es auch zum Anlass nehmen, sich mit Geschichte zu befassen: “Hier leben viele Ausländer, die wenig über die Geschichte Deutschlands wissen.”
Gemeinsam mit ihren Mitschülern beschäftigt sich Abida Wahidi seit Beginn des Schuljahres unter Anleitung von Daniel Graack im Geschichtsunterricht mit dem Thema “Frieden und Gedenken”. Zunächst erarbeiteten die Schüler die theoretischen Grundlagen. Ende November starteten sie in die Praxisphase und trafen sich zum ersten Mal vor der Kirche, um sich vor Ort mit den städtebaulichen und gestalterischen Gegebenheiten des Kirchenvorplatzes vertraut zu machen. In den nächsten Monaten werden die Schüler auf Basis ihres Wissens verschiedene Entwürfe für ein Friedensmahnmal entwerfen, die voraussichtlich im Mai 2018 der Öffentlichkeit vorgestellt werden sollen. Wenn es nach den Projektbeteiligten geht, soll das Mahnmal schon im Herbst 2018 vor St. Liborius aufgestellt werden. “Wir haben schon viele Ideen, aber es müssen natürlich auch eine Menge unterschiedlicher Einflussfaktoren beachtet werden”, sagt Fachgymnasiastin Christina Mehrtens (17).
Denn neben Bau- und Verkehrsrecht müssen auch denkmalpflegerische Aspekte und weitere Rahmenrichtlinien bei der Entwurfsplanung berücksichtigt werden. Das Wasserspiel steht auf dem Grundstück der Kirchengemeinde, die Stadt Bremervörde hat jedoch ein langjähriges vertraglich zugesichertes Nutzungsrecht. “Es gibt bei dem Projekt einiges zu bedenken. Das ist ein komplexer Prozess. Ich bin gespannt auf das Zusammenspiel der verschiedenen Institutionen”, so Superintendent Helmers. Die Bevölkerung soll ausdrücklich in den Gestaltungsprozess miteingebunden werden, wie Dirk Stelling betont: “Wir wollen alle Bremervörder einladen mitzudenken und mitzureden. Was an dieser Stelle mitten in der Stadt entsteht, soll von möglichst vielen Bürgerinnen und Bürgern mitgetragen werden. Daher planen wir eine umfassende Bürgerbeteiligung bei diesem Projekt.” Voraussichtlich im Mai oder Juni sollen die Entwürfe deshalb öffentlich präsentiert werden. Angedacht ist außerdem, die Bürger durch ein Voting in den Entscheidungsprozess zu integrieren.
Wie genau das Projekt finanziert wird, steht noch nicht fest. Die Planer sind aktuell im Gespräch mit regionalen und überregionalen Stiftungen und hoffen auf die Unterstützung von Organisationen und Vereinen. Auch muss geprüft werden, ob öffentliche Fördergelder aus der Sanierungsmaßnahme “Innenstadt Mitte” in das Projekt investiert werden können.
Dieser Artikel erschien am 18.02.2018 in den SüdSeiten Ausgabe 2/2017.